Ehemaliges Zwangsarbeiterinnen-Lager der Auer-Werke

Hier befanden sich ab 1942 die Baracken für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus dem Osten.

Ort des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers der Auer-Werke

Sobald Sie die Dr.-Heinrich-Byk-Straße, Ecke André-Pican-Straße erreicht haben, stechen Ihnen einige Industriegebäude ins Auge. An diesem Ort befanden sich ab 1942 die Baracken für Zwangsarbeiterinnen aus dem Osten. Viele Häftlinge sowie Zwangsarbeiter arbeiteten hier für die Auer-Werke in der Rüstungsproduktion.

„Arrest, Abschneiden der Haare, Entziehung der Verpflegung, Prügel, alle die ‚Einwirkungsmaßnahmen‘ wurden systematisch angewandt.“

So beschreibt Frieda Malter ihren Alltag in dieser Behausung. Sie war Abgeordnete des preußischen Landtags in Breslau, bevor sie 1944 verhaftet und in das KZ Ravensbrück verschleppt wurde. Ein paar Tage später teilte sie eine SS-Aufseherin als Arbeiterin im Auer-Werk in Oranienburg ein.

Die Unterkünfte wurden auf dem Reservegelände von Werk II erstellt. In einem Schreiben der Auergesellschaft an den Bürgermeister Fuchs 1944 heißt es:

„Zunächst ist eine geringe Anzahl hier eingetroffen […] welche provisorisch in einer Werkshalle untergebracht sind. […] Alles zusammen wird durch einen elektrisch geladenen Stacheldrahtzaun gesichert. […] Die anderen Arbeitskräfte […] werden zum Zeitpunkt des vollen Einsatzes aus dem Werk II herausgezogen.“

Im September 1944 wurde die Polin Stanislawa Emilia Imiołek hier eingeliefert. Sie war gerade 21 Jahre alt. Mit einer Scheibe Brot und einer Suppe täglich musste sie unter schlechten Bedingungen arbeiten. Dickes Packpapier aus der Fabrik wickelten sich die Zwangsarbeiterinnen als Schutz vor der Kälte im Winter heimlich um den Körper. Sie trugen nämlich trotz der kalten Jahreszeit nur kurzärmelige Kleider.

Im Januar 1945 hatte Stanislawa einen Arbeitsunfall. Ihr Finger schwoll an, ein roter streifen zog sich bis zum Ellbogen und sie bekam 40°C Fieber. Auf einem zweirädigen Wagen zogen sie andere Häftlinge 5 Kilometer zum Männerlager in Sachsenhausen. Es stellte sich heraus, dass sich Ihr Finger infiziert hatte und ihr wurde mitgeteilt, dass sie an Malaria erkrankt sei. Nach einer OP wurde die schmerzende Wunde verbunden. Eine SS-Frau beobachtete das Geschehen. Stanislawa gab jedoch trotz der ungeheuren Schmerzen keinen Laut von sich. Sie erinnert sich im Interview, wie die SS-Frau gestand, Stanislawa sei ein tapferes Mädchen und sie bewundere sie. Die SS-Frau schenkte der Zwangsarbeiterin warme Strümpfe, einen Pullover und einen Mantel, sodass sie bald gesund wurde.
Im Männerlager gab es öfter Appelle, bei denen alle Insassen auf dem Innenhof stehen mussten. Dies sogar nächtelang im Winter. Dabei froren sich einige die Gliedmaßen ab.

Eines Tages erreichten die Arbeiterinnen Flugblätter. Diese sagten aus, dass die Alliierten 6000 Bomben über Oranienburg fallen lassen würden, die für 6000 erschossene Häftlinge stehen sollten. Zwei Stunden lang ging der Angriff, bei dem drei Viertel der Stadt zerstört wurden. In diesem Chaos gelang es einer Gruppe Frauen, darunter Stanislawa, zu fliehen. Nachts um zwei Uhr jedoch spürte sie die Gestapo auf und brachte die Gruppe zurück in das Männerlager Sachsenhausen. Von nun an musste sich Stanislawa schwerer körperlicher Arbeit unterziehen, um die Stadt zu enttrümmern. Wer Schwäche zeigte, wurde geprügelt.

Im April 1945, als die Front schon in der Nähe war, wurde Stanislawa mit anderen Frauen in eine blitzsaubere Baracke mit weißem Fußboden gebracht. Sie ahnte ihren Tod, denn sie hatte bereits von den Gaskammern gehört. Doch es kam nicht dazu: plötzlich sollten sich alle draußen in Fünferreihen aufstellen. Diese Marschkolonnen mit je 500 Leuten wurden 30 Kilometer täglich von SS-Leuten und Hunden durch die Straßen getrieben. Ohne Nahrung mussten sie so 11 Tage überstehen. Wer zurückblieb, wurde erschossen. Stanislawa trug ihre Mutter kilometerweit, als diese nicht mehr gehen konnte. Die Straßen waren mit Leichen übersät.
Am 2. Mai wurde eine Rast am Straßenrand angeordnet. Hier verschwanden nach und nach die SS-Leute im Wald. Stanislawa realisierte, dass sie alleine sind. Kurz darauf kamen ein polnischer und ein englischer Offizier in Uniform auf zwei Motorrädern angefahren und erklärten ihnen die Freiheit.

(Die Erinnerungen von Stanislawa I. sind dem Videointerview aus dem Archiv Zwangsarbeit 1939-1945 ID za197  entnommen.)

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